Für diesen Blog haben wir uns auf England konzentriert, doch um die Verwendung der Begriffe Großbritannien und Vereinigtes Königreich kommen wir manchmal nicht umhin. Doch was ist eigentlich der Unterschied zwischen England, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich und wie macht er sich in der Praxis für Reisende bemerkbar?
Die geschichtlichen Hintergründe
Um den Unterschied zwischen England, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich zu erklären, ist ein kleiner Exkurs in die Geschichte der Insel erforderlich. Im frühen Mittelalter schlossen sich die sieben angelsächsischen Königreiche auf der Insel zu einem einzigen Königreich namens England zusammen.
King Offa of Mercia bezeichnete sich 774 erstmals als „King of England“. Doch erst King Alfred gelang es hundert Jahre später die Wikinger aus England zu verscheuchen und so gilt Alfred the Great vielen als echter erster König der vereinten angelsächsischen Königreiche. Wer mehr über ihn erfahren will, sollte sich die sehenswerte Fernsehserie The Last Kingdom nach den Büchern von Bernard Cornwell ansehen.
Den Angelsachsen folgten ab 1066 die Normannen, die ihre Macht in England festigten und ein Auge auf die verbliebenen freien Landesteile warfen. Unter Edward I. wurde im späten 13. Jahrhundert Wales erobert und „anglisiert“, das heißt, englische Adelige rissen sich das Land unter den Nagel und errichteten mächtige Trutzburgen. Ein letzter walisischer Aufstand unter Owain Glyndwr wurde Anfang des 15. Jahrhundert niedergeschlagen.
An Schottland bissen sich die Engländer dagegen die Zähne aus. 1314 wurde das Heer von Edward II. in der Schlacht von Bannockburn von den Schotten unter Robert (the) Bruce geschlagen. Anschließend beschäftigte sich England über einige Jahrhunderte vor allem mit dem Erzfeind Frankreich und den eigenen Fehden der Rosenkriege und der Reformation. Erst nach dem Tod der kinderlosen Queen Elizabeth I. kam es zu einer unwilligen Vereinigung von England und Schottland, als der schottische König James I. als James IV. den englischen Thron bestieg.
1707 wurde die Vereinigung mit dem Act of Union besiegelt. Letzte Aufstände der Jakobiner in Schottland wurden niedergeschlagen. Das neue Konstrukt war nun das Kingdom of Great Britain, wobei mit Großbritannien die britische Insel selbst gemeint ist (im Gegensatz zum kleineren Britannien (Brittany) auf der anderen Kanalseite – bei uns besser als die Bretagne bekannt).
Über Jahrhunderte hinweg versuchte England auch die Nachbarinsel Irland zu erobern und brach damit den bis heute andauernden Irland-Konflikt vom Zaun. Diesen hier zu erklären, führt viel zu weit. Kurz gesagt wurde die letzte gälische Rebellion gegen die englischen Siedler 1601 im Battle of Kinsale niedergeschlagen und Irland eine englische Kolonie. 1801 wurde mit Irland ein Act of Union abgeschlossen, wodurch das neue United Kingdom of Great Britain and Ireland entstand. 1922 wurde der südliche Teil Irlands als Republic of Ireland unabhängig, während der nördliche Teil beim Vereinigten Königreich blieb.
Der Unterschied zwischen England, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich lässt sich also wie folgt zusammenfassen:
• England ist der südöstliche Teil der britischen Insel
• Großbritannien ist der Name der Insel selbst, die England, Schottland und Wales umfasst
• Zum Vereinigten Königreich gehört neben England, Schottland und Wales auch Nord-Irland.
Auf der Insel selbst (auch in England) wird von „The UK“ oder „Britain“ gesprochen, wenn das Land als politische Einheit gemeint ist. Die Einwohner bezeichnen sich meist als Brits, wobei das Nationalgefühl in den letzten Jahren in allen Landesteilen stark gewachsen ist und den Unterschied zwischen England, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich stärker hervortreten lässt.
Die als Union Jack bekannte Flagge ist eine Zusammenfügung des englischen St. George’s Cross, des schottischen St. Andrew’s Cross und des nordirischen St. Patrick’s Cross. Nur der Waliser Drache blieb außen vor.
Unabhängigkeitsbestrebungen
Seit Jahrzehnten kämpfen die „annektierten“ Landesteile Wales, Schottland und Nord-Irland für mehr Selbständigkeit, die ihnen im Rahmen der Devolution (zähneknirschend) gewährt wurde. 1998 erhielt Schottland mit dem Scotland Act ein eigenes Parlament in Edinburgh, Wales folgte 2006 mit dem Government of Wales Act. Ähnlich wie die deutschen Bundesländer und die US-amerikanischen Bundesstaaten können die einzelnen Landesteile nun einige Dinge selbst bestimmen, während sie bei anderen der übergeordneten britischen Regierung (und das ist weiterhin die englische Regierung) gehorchen müssen.
Ein Beispiel für Devolution war die Corona-Pandemie, als England, Schottland und Wales jeweils eigene Beschränkungen einführten. Vor allem die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon und der englische Premierminister Boris Johnson agierten dabei gerne wie Katz und Hund.
In Schottland gibt es schon lange eine lautstarke Minderheit unter Führung der Scottish National Party, die nach Unabhängigkeit strebt. Sie ertrotzte sich 2014 eine Volksabstimmung, bei der sich 55,3 Prozent für den Verbleib im Vereinten Königreich aussprach und 44,7 Prozent für Unabhängigkeit. Dies war allerdings vor dem Brexit. Schottland (und Nord-Irland) sprachen sich im Brexit-Referendum mehrheitlich für den Verbleib in der EU aus, mussten sich jedoch der Brexit-Mehrheit in England und Wales geschlagen geben. Seither will Schottland eine zweite Volksabstimmung durchführen (und als unabhängiges Land wieder in die EU eintreten), beißt aber bei der konservativen englischen Regierung auf Granit.
Auch in Wales gibt es eine kleinere Unabhängigkeitsbewegung, die von der Partei Plaid Cymru (Party of Wales) angeführt wird. Allerdings stehen die Aussichten hier wesentlich schlechter, da Wales anders als das ölreiche Schottland kaum Ressourcen hat, um als selbständiges Land zu überleben.
In Nord-Irland gibt es Gedankenspiele über eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland, für die sich vor allem die Katholiken aussprechen, während die Protestanten dagegen sind. Allerdings sind die Chancen hier in etwa so groß wie die für ein unabhängiges Wales.
Der Unterschied zwischen England, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich in der Reisepraxis
Urlauber bemerken den Unterschied zwischen England, Großbritannien und dem Vereinigten Königreich eigentlich kaum, wenn sie auf der Insel unterwegs sind. An den „Grenzen“ leuchten Autofahrern Schilder vergleichbar mit denen der deutschen Bundesländer entgegen, dazu sind in Wales alle Straßenschilder zweisprachig auf Englisch und Walisisch gehalten.
Auch in Schottland wurden in den letzten Jahre bilinguale Straßenschilder auf Englisch und Gälisch eingeführt, wobei Gälisch in der Praxis fast komplett aus dem Alltag verschwunden ist. In Wales gab es in den letzten Jahren ein verstärktes Engagement für die walisische Sprache, doch nur etwa ein Viertel der Bevölkerung beherrscht Walisisch halbwegs, während 75 Prozent angeben, keinerlei Sprachkenntnisse zu haben.
Schottland pflegt seine eigene Pfundnoten der Bank of Scotland, die exakt den gleichen Wert haben wie die englischen Pfundnoten. Eigentlich sollten beide Varianten auf beiden Seiten der Grenze akzeptiert werden, doch je weiter südlich in England damit bezahlt werden soll, umso größer ist die Chance, dass schottische Pfund nicht akzeptiert werden. Eine amüsante Marotte, die durch das bargeldlose Bezahlen wohl bald der Vergangenheit angehört.
Entgegen mancher Warnungen schlägt der hitzköpfige Schotte nicht gleich zu, wenn er mal versehentlich als Engländer bezeichnet wird. Er selbst wird die südlichen Nachbarn übrigens als „Sassenachs“ bezeichnen. Die größte Rivalität zwischen den Landesteilen bricht sich übrigens nicht beim Fußball den Bann, sondern vor allem beim Rugby, insbesondere beim Six Nations Turnier.
Schon gewusst? Alle Landesteile haben bei internationalen Turnieren übrigens ihre eigene Nationalhymne. Lediglich die Engländer und Nord-Iren singen God save the Queen, die Schotten singen Flower of Scotland und die Waliser Hen Wlad Fy Nhadau (Land unserer Väter).