Hadrian’s Wall: Die Grenzmauer der Römer

Der Hadrian’s Wall im äußersten Norden von England ist das beeindruckendste Zeugnis der Römerzeit auf der britischen Insel. Seit 2003 lässt er sich in voller Länge von der West- bis zur Ostküste auf dem Hadrian’s Wall Path erleben: 135 Kilometer in sieben Tagen.

Ein Grenzwall gegen die Barbaren

Julius Cäsar höchstselbst führte in den Jahren 55 und 54 v.Chr. zwei Invasionen in das keltische Britannien ein, ohne es dauerhaft zu erobern. Erst unter Kaiser Claudius konnten sich vier römische Legionen im Jahr 43 n. Chr. im südöstlichen England festsetzen und die Provincia Britannia gründen. Ein letzter großer Aufstand der einheimische Stämme unter der Anführerin Boudica wurde 17 Jahre später niedergeschlagen.

In den folgenden Jahren versuchten die Römer ihr Siedlungsgebiet immer wieder gen Norden auszudehnen, ehe sie im Jahr 83 n. Chr. bei der Schlacht am Mons Graupius in den schottischen Highlands als letztes auch noch die Kaledonier besiegten. Allerdings waren die Vorfahren der Schotten damals schon ein unbequemes Völkchen, das auch nach der Niederlage immer wieder Aufstände gegen die römischen Besatzer anzettelte.

Kaiser Hadrian hatte schließlich genug von aufsässigen Barbaren in seinem riesigen Reich und fing an, Mauern gegen sie zu bauen: Zuerst die als Limes Germanicus bekannte Grenzmauer im heutigen Südwestdeutschland, der die Germanen fernhalten sollte, und anschließend eine Grenzmauer, die sich über die gesamte Breite von Britannien hinzog. Der Bau ab dem Jahr 122 n. Chr. war zudem Beschäftigungstherapie für die römischen Legionen in der ungeliebten nasskalten Provinz im hohen Norden.

Hadrian’s Wall in der Antike

Bei der Fertigstellung war Hadrian’s Wall exakt 80 römische Meilen lang (118,4 moderne Kilometer) und verlief von der Mündung des Solway im Westen bis zur Mündung des Tyne im Osten. Entlang der ganzen Mauer befanden sich kleinere Wachposten an jedem Meilenstein (die sogenannten Milecastles) und mehrere große Kastelle, in denen bis zu 600 Soldaten stationiert waren.

Wie hoch die Mauer war, konnte bis heute nicht geklärt werden, doch zumindest der erste englische Geschichtsschreiber, der Mönch Bede, sprach im 8. Jahrhundert (als Teile vermutlich noch komplett standen) von etwa vier Metern. Die Breite lag je nach Abschnitt zwischen 2,3 und 2,9 Metern.

Fast noch interessanter ist jedoch die Tatsache, dass die Mauer in der Antike auf ihrer gesamten Länge weiß getüncht war. Damit war Hadrian’s Wall schon aus der Ferne gut zu sehen, vor allem, wenn die weiße Mauer das Sonnenlicht reflektierte.

Hadrian’s Wall heute

Mit dem Untergang des römischen Reiches im 5. Jahrhundert verlor Hadrian’s Wall als Grenzmauer seine Bedeutung. Teile wurden von der örtlichen Bevölkerung auseinander genommen, um die Steine für Häuser, Kirchen und andere Gebäude zu verwenden. Was übrig blieb, wurde im 18. Jahrhundert für den Straßenbau genutzt.

Einem gewissen John Clayton aus Newcastle ist es zu verdanken, dass zumindest die letzten Reste der Mauer erhalten blieben – indem er ab 1834 ganz einfach das Land kaufte, auf dem sie standen. Das Geld, dass er mit der Landwirtschaft verdiente, steckte er dann wiederum in archäologische Ausgrabungen.

Später übernahm der National Trust die Ländereien und die Pflege und 1987 wurde der Hadrian’s Wall schließlich zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Die meisten Touristen drängten und drängen sich natürlich als Tagesbesucher an den gut erhaltenen oder sogar komplett rekonstruierten Stellen der Mauer.

Wer lediglich einen Tag Zeit mitbringt oder einfach keine Lust auf längere Wanderungen hat, der kann sich auf diesen mittleren Teil um Steel Rigg und Once Brewed konzentrieren. Die Reste des Hadrian’s Wall können zwar nicht mit der (teilweise perfekt restaurierten) Chinesischen Mauer mithalten, doch bei gutem Wetter ist die einsame Landschaft im hohen Norden von England unschlagbar schön.

Wer den gesamten Hadrian’s Wall Path abgehen möchte, tut dies in der Regel in sieben Etappen. Offiziell führt der Weg von Wallsend an der Mündung des Tyne im Osten nach Bowness-on-Solway an der Mündung des Solway im Westen, doch viele Wanderführer empfehlen aus einfachem Grund die Wanderung in die entgegengesetzte Richtung: In England kommt der Wind meist aus Westen, sodass ihn Wanderer gen Osten im Rücken haben und nicht im Gesicht.

Die römischen Kastelle am Hadrians Wall

Die wichtigsten Fundstätten befinden sich auf relativ engem Raum zwischen den Gemeinden Chollerford im Osten und Greenhead im Westen. Von Osten kommend ist Chesters Roman Fort (Cilurnum) die erste sehenswerte Stätte. Das Kastell bewachte einst eine Brücke über den Tyne. Von hier führt der Weg zum Procolitia Roman Fort und den Resten eines Mithras-Tempels bei Carrawburgh.

Von hier geht es steil bergan zu einer der höchstgelegenen Stellen am Hadrian’s Wall mit dem Housesteads Roman Fort (Vercovicium), das alleine für die Aussicht besucht werden sollte. Zu ihm gehört ein großer Parkplatz und ein Visitors Centre mit Hintergrundinformationen. Wer nur ein kurzes Stück wandern will, der kann hier parken und dann zu Fuß zur meistfotografierten Stelle am Hadrian’s Wall gehen.

Das Sycamore Gap ist eine tiefe Senke, in der ein einziger Ahornbaum (Sycamore) steht und ein hinreißendes Fotomotiv abgibt. Der Baum wurde als Kulisse in Kevin Costners Robin Hood-Film (1991) genutzt und sorgte in Großbritannien für viel Gelächter, denn demnach reiste Robin nach seiner Rückkehr von den Kreuzzügen von Dover aus über Hadrian’s Wall nach Nottingham. Aber Männer taten sich schon immer schwer damit, nach dem Weg zu fragen…

Vom Sycamore Gap kann der Spaziergang fortgeführt werden nach Vindolanda, einem weiteren römischen Kastell mit angeschlossenem Museum und von dort wieder zurück zum Parkplatz bei Housesteads. Einen weiteren Parkplatz für diese beliebtesten Bereich des Hadrian’s Wall gibt es am Sill National Landscape Discovery Centre, das die Schönheit des Northumberland National Parks erklärt.

Einige Kilometer weiter westlich befinden sich die letzten beiden großen Attraktionen am Hadrian’s Wall: Das Roman Army Museum in Greenhead, das die Vergangenheit auf multimediale Weise zum Leben erweckt und das Kastell Birdoswald mit einem der längsten noch erhaltenen Abschnitte der Mauer.

Übernachten am Hadrian’s Wall

Theoretisch lassen sich die wichtigsten Kastelle und Museen als Tagesausflug von Carlisle oder Newcastle aus abklappern. Gerade bei typisch englischem Wetter mit Schauern, Nieselregen und ungemütlichem Wind ist dies vermutlich die bessere Lösung. Bei Sonnenschein lohnt es sich jedoch unbedingt, eine Zwischenübernachtung einzuplanen und die wunderschöne Landschaft entlang des Hadrian’s Wall ganz in Ruhe bei Wanderungen zu erkunden.

Einziges Problem in der Hauptsaison: Die kleinen Bed & Breakfasts und Fremdenzimmer auf Bauernhöfen sind oft schon vorab durch die vielen Fernwanderer ausgebucht, die den Hadrian’s Wall Path der Länge nach ablaufen. Es ist auf jeden Fall ratsam, ein Dach über dem Kopf im Voraus zu organisieren und nicht auf gut Glück loszufahren. Neben denn vielen B&Bs gibt es auch eine Reihe Campinglätze, für alle, die das eigene Zelt mitnehmen und abends aufschlagen wollen.

Eine Adresse für alle, die es luxuriöser mögen, ist die Herding Hill Farm, die neben normalem Camping auch Glamping in gemütlichen Holzhütten und mit Outdoor-Whirlpools anbietet. Sie liegt perfekt zwischen Greenhead und dem Sycamore Gap und macht es möglich, alle Highlights zu Fuß zu erkunden.

Unterwegs am Hadrian’s Wall

Wie so üblich bei ländlich gelegenen Attraktionen ist das eigene Auto (oder der Mietwagen) die beste Fortbewegungsmethode zwischen den römischen Kastellen, Museen und anderen Sehenswürdigkeiten.

Es geht jedoch auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – mit der treffend benannten Buslinie AD122. Diese verkehrt in der Sommersaison von April bis Ende Oktober stündlich zwischen den Bahnhöfen von Hexham und Haltwhistle und hält dabei unter anderem an Chesters Roman Fort, Housesteads Roman Fort, Vindolanda und dem Roman Army Museum bei Greenhead.

Die Bahnstrecke zwischen Newcastle und Carlisle verläuft einige Kilometer südlich des Hadrian’s Wall. Regionalzüge halten unter anderem auch in Bardon Mill, von wo sich Sycamore Gap, Housesteads und Vindolanda auch zu Fuß erreichen lassen.