Das nordenglische Manchester war lange Zeit fast ein Synonym für graue Industrietristesse. Noch das Bild der Stadt hat sich im neuen Jahrtausend enorm gewandelt. Heute ist sie längst nicht mehr nur für Fußball- und Musikfans einen Besuch wert.
Von Mamucium zur Industriellen Revolution
Gemeinsam mit Chester und York gehört Manchester zu den nördlichsten Städten Englands, die auf die Römer zurückgehen. Im Jahr 79 wurde das Fort Mamucium am Irwell errichtet, dass die Römer vor dem keltischen Stamm der Brigantes schützen sollte. Im Mittelalter stand Manchester Castle am Zusammenfluss von Irk und Irwell, doch die Burg ist längst verschwunden. Zu den ältesten festen Gebäuden gehören Manchester Cathedral aus dem 15. Jahrhundert und die heute noch als Bibliothek aktive Chetham’s Library aus dem 17. Jahrhundert.
Bereits im 14. Jahrhundert etablierte sich die Stadt als Zentrum der Textilverarbeitung in der Grafschaft Lancashire. Wurde zunächst Wolle verarbeitet, kamen mit der Eröffnung des Bridgewater Canals 1736 immer größere Mengen Baumwolle aus den amerikanischen Kolonien über die Docks von Liverpool nach Manchester. 1765 erfand James Hargreaves die Spinning Jenny, die erste Maschine zum Spinnen von Baumwolle und 1775 zog James Watt mit der Erfindung der Dampfmaschine nach.
Der Grundstein für die industrielle Revolution und die moderne Massenproduktion war gelegt und Manchester wurde zum weltweiten Zentrum für Baumwollstoffe. Die unzähligen Fabriken lockten wiederum zahllose Arbeiter an, die die Einwohnerzahl der Stadt explodieren ließ.
Manchester im 20. Jahrhundert
Im Jahr 1853 zählte das auch Cottonopolis genannte Manchester sage und schreibe 108 Baumwollspinnereien. Wie es damals in diesen Fabriken zugegangen sein mag, lässt sich heute nur noch ansatzweise im ausgesprochen sehenswerten Museum of Science and Industry nachvollziehen, wo schon eine einzige Maschine bei einer Demonstration für Höllenlärm sorgt. Allerdings begann kurz darauf schon der Niedergang, dem die Luftangriffe der deutschen Luftwaffe während des „Christmas Blitz“ um Weihnachten 1940 den Rest gaben. Dabei wurden große Teile des historischen Zentrums und viele Fabriken zerstört.
Die Innenstadt wurde in den 50er und 60er-Jahren sagenhaft hässlich wieder aufgebaut, während die traditionelle Industrie immer weiter zurückging. Zwischen 1961 und 1983 gingen in Manchester rund 150.000 Arbeitsplätze verloren. Dazu wurde das Stadtzentrum 1996 Ziel eines schweren Bombenanschlags der Provisional IRA, bei der zahlreiche Gebäude zerstört oder stark beschädigt und zahlreiche Menschen verletzt wurden.
Manchester erfindet sich neu
Schon Ende der 80er Jahre hatte es erste Versuche eines Strukturwandels gegeben. So wurden die alten Hafenanlagen der Manchester Docks nach dem Vorbild der Londoner Docklands als Salford Quays neu gestaltet (im Bild oben zu sehen). Hier entstanden unter anderem ein neues Medienzentrum, die MediaCity und neue Veranstaltungshallen wie die Manchester Arena und The Lowry. Auch das nahe Fußballstadion von Manchester United, das legendäre Old Trafford Stadium erhielt zur Europameisterschaft 1996 eine Generalüberholung.
Der Bombenanschlag der IRA, so tragisch er auch war, gab der Stadtverwaltung die Chance, auch in die Innenstadt neu zu gestalten. Zu den sichtbarsten Folgen dieser Verjüngungskur gehören Wolkenkratzer wie der markante 169 Meter hohe Beetham Tower und der 201 Meter hohe South Tower am Deansgate Square.
Ein Besuch in Manchester
Manchester hat keine wirklich herausragenden Bauten (von den relativ langweiligen neuen Hochhäusern mal abgesehen) und lohnt sich eher für seine Museen und andere Einrichtungen. Ganz nett ist ein Spaziergang entlang der alten Kanäle am Rochdale Canal Tow Path entlang zum Museum of Science and Industry in Castlefield.
Das ehemalige Zentrum der Industrie und Geburtsort des Manchester Kapitalismus brachte schon immer streitbare Zeitgenossen hervor, die sich für die Rechte der einfachen Arbeiter einsetzen. Das People’s History Museum setzt ihnen ein Denkmal. Eine der streitbarsten Persönlichkeiten war Emmeline Pankhurst, Gründerin der Suffragettes, die das Wahlrecht für Frauen in England erkämpften. Ihr ehemaliges Haus ist heute das Pankhurst Center, ein kleines Museum, das die Geschichte der Frauenrechtlerinnen erzählt.
Weitere Ziele in der Stadt sind das Manchester Museum, die Manchester Art Gallery und das Imperial War Museum North. Etwas außerhalb in Cheetham Hill liegt das Manchester Museum of Transport mit zahlreichen alten Bussen, Straßenbahnen und anderen Fahrzeugen.
Manchester und der Fußball
Fragt man Menschen, die keine Ahnung von Fußball haben, nach bekannten Mannschaften, fällt garantiert der Name Manchester United. Die Red Devils gehören zu den berühmtesten Fußballclubs der Welt und haben bis heute die meisten Titel in England gewonnen, darunter 20 Meisterschaften. Sie spielen im Old Trafford Stadium, das außerdem ein Museum beherbergt und Führungen anbietet. Kaum weniger bekannt ist Manchester City, der zweite große Club der Stadt Die „Citizens“ spielen im Etihad Stadion, das erst 2002 für die Commonwealth Games in Manchester erbaut wurde.
Manchester bietet Fußballfans aber noch mehr: Im Stadtzentrum befindet sich das National Football Museum mit einer Hall of Fame und zahlreichen Ausstellungsstücken, darunter auch DEM Ball des Endspiels im Wembley Stadion 1966.
Manchester als Musikstadt
Wie das benachbarte Liverpool ist Manchester als Zentrum der Rockmusik bekannt, das zahlreiche berühmte Bands und Sänger:innen hervorbrachte. Zu den berühmtesten Namen gehören The Smith, Joy Division/New Ordner, The Stone Roses, Simply Red, Oasis und Take That. Viele Bands entsprangen der Madchester Bewegung rund um den Club The Hacienda in den späten 80er Jahren, aus denen sich wiederum der Britpop entwickelte.
Heute ist das Northern Quarter das wichtigste Ausgehviertel von Manchester mit zahlreichen Clubs, Bars, Kneipen und kleinen Geschäften. Ein echtes Mekka für Shopper ist der Affleck’s Palace, eine Art Indoor-Flohmarkt mit unzähligen Ständen, die schräge Kleidung, Schmuck und Kunsthandwerk anbieten. Die Schwulenszene trifft sich im Gay Village an der Canal Street, wo auch jedes Jahr die Manchester Pride Parade stattfindet.
Wie komme ich hin?
Manchester ist schon aufgrund seiner Größe leicht zu erreichen. Der Flughafen Manchester wird von mehreren deutschen Flughäfen direkt angeflogen. Es ist sinnvoll, den Besuch mit weiteren interessanten Zielen in der Region wie der Nachbarstadt Liverpool zu kombinieren und eventuell mit einer Weiterreise in den Lake District.
Der Hauptbahnhof von Manchester ist Piccadilly. Von London aus dauert die Fahrt je nach Service zwischen zwei und zweieinhalb Stunden und Tickets können schon für unter £20 zu haben sein, wenn sie früh reserviert werden.
Auch an Hotels mangelt es in der Stadt nicht. Wer zu einem Fußballspiel von Manchester United anreist, der kann sich im Hotel Football direkt neben dem Stadion einquartieren, das auch Match Day Packages anbietet. Das Hotel Whitworth Locke befindet sich in einer alten Baumwollspinnerei im Civic Quarter und ist wie das Cow Hollow Hotel im Northern Quarter im total angesagten Industrial Design gehalten. Leider sind beide nicht unbedingt billig.
1 Gedanke zu „Manchester: Industriestadt im Aufwind“
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