Die meisten Menschen verorten die Wikinger erstmal in Skandinavien. Tatsächlich siedelten sie über längere Zeit auch im Osten Englands – und gründeten im 9. Jahrhundert das „Königreich von York„, dem jedoch keine lange Lebensdauer beschieden war. Das Jorvik Viking Centre in York hat ihnen ein Denkmal gesetzt.
Wie die Wikinger nach York kamen
Ab dem späten 8. Jahrhundert überquerten die Wikinger in regelmäßigen Abständen die Nordsee, um englische Küstenstädte zu plündern und Angst und Schrecken zu verbreiten. Laut den angelsächsischen Chroniken tauchte im Jahr 865 „The Great Heathen Army“ in England auf, eine ungewöhnlich große und gut organisierte Wikingerarmee.
Ein Jahr später spazierten sie quasi ungehindert in im angelsächsischen Eoforwic ein und wählten den Ort 875 zum Sitz eines neuen Königreiches, dem Danelag. Aus Eoforwic wurde Jorvik. Knapp 80 Jahre dauerte die Herrschaft der Wikinger, ehe sie York wieder räumen mussten und ihr Königreich wieder angelsächsisch wurde.
Von Odin, Thor & Co. hatten sich die Wikinger zu diesem Zeitpunkt bereits verabschiedet: Während ihrer Herrschaft entstand u.a. die heute noch genutzten Kirchen St. Mary Bishophill Junir und St. Olave’s, die dem norwegischen König und Heiligen Olaf geweiht ist.
Das Jorvik Viking Centre in York
Beim Abbruch einer alten Fabrik in Coppergate, im Herzen von York, stießen Bauarbeiter 1966 eher zufällig auf zahlreiche Reste der Wikingersiedlung Jorvik. Während die Fundstücke ins Museum wanderten, kam der York Archaeological Trust auf die Idee, die Fundstelle in eine Art lebendige Ausstellung zu verwandeln.
Ein kleiner Teil von Jorvik wurde komplett mit Wikingerbehausungen, Ställen, Marktständen und lebensgroßen Wikingerfiguren aufgebaut – und mit passender Geräusch- und Geruchskulisse. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie es im frühen Mittelalter wohl gerochen hat, ist im Jorvik Viking Centre richtig.
Manche Experten kritisierten das Jorvik Viking Centre als „Disneyland für Wikinger„, doch für mich war es eine spannende Zeitreise in eine mir bis dahin unbekannte Epoche. Seriöse Museen mit Ausstellungsstücken hinter Glas haben ihre Berechtigung, doch dies gilt auch für derartige immersive Erlebnisse, die die Vergangenheit dreidimensional lebendig werden lassen.
Neueröffnung des Jorvik Viking Centre 2017
Im Dezember 2015 war die Innenstadt von York von schweren Überschwemmungen betroffen. Die künstlichen Wikinger fanden sich auf einmal knietief im Wasser wieder. Wichtige authentische Ausstellungsstücke aus dem 9. Jahrhundert konnten gerettet werden, doch die Besucherattraktion selbst musste zunächst schließen. Nach über einem Jahr Renovierungsarbeiten wurde das Jorvik Viking Centre im April 2017 neu eröffnet und präsentiert sich wieder als Mischung aus ernsthaften Museum und Time Warp-Zeitreise in die Vergangenheit.
Das Jorvik Viking Center ist von November bis März von 10 bis 16 Uhr geöffnet und von April bis Oktober von 10 bis 17 Uhr. Voll ist es eigentlich immer: An den Wochenenden strömen Tagesausflügler und Wochenendtouristen in das Jorvik Viking Centre, unter der Woche Schulklassen.
Der Eintritt kostet £10.25 für Erwachsene und £7.25 für Kinder bis 16 Jahren. Für Familien sind außerdem Familientickets erhältlich. Wer die Eintrittskarten im Voraus bucht, zahlt einen Aufpreis von £1.00, erhält dafür jedoch ein festes Zeitfenster für den Eintritt – und spart das Schlange stehen.
Das Viking Festival von York
Einmal im Jahr steht die ganze Stadt Kopf: Beim Jorvik Viking Festival. Wikinger und Möchtegern-Wikinger aus aller Welt strömen dann nach York, um tief in „ihre“ Zeit abzutauchen. Viele leben in mittelalterlichen Camps, liefern sich Schaukämpfe oder wetteifern um Auszeichnungen wie den „stärksten Wikinger“ und den „schönsten Bart“. Ernsthaft an der Geschichte interessierte Besucher können sich mit Historikern unterhalten oder Vorträge besuchen.
Wer jetzt schon das eigene Schwert suchen geht und das Zelt packen will, sollte bedenken, dass das Viking Festival stets Ende Februar während der englischen Schulferien stattfindet. Wer dann in Nordengland campieren will, muss wirklich ein hartgesottener Wikinger sein – oder rechtzeitig ein Hotel buchen. Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Website des Jorvik Viking Festival.
Kommt mir alles bekannt vor…
Wer glaubt, das alles schon einmal gehört zu haben, hat vermutlich in den letzten Jahren die ungemein erfolgreiche Fernsehserie Vikings des History Channel verfolgt. Bis heute ranken sich etliche nordischen Sagen um Ragnar Lothbrok, der unter anderem in der dänischen Gesta Danorum von Saxo Grammaticus im 12. Jahrhundert erwähnt wurde und in nordischen Sagen. Seine Söhne Ubba, Halfdan und Ivar gehörten der Legende nach zur Great Heathen Army, die Mitte des 9. Jahrhunderts England stürmte und York eroberte.
Die Fortsetzung von Vikings liefert derzeit die britische BBC mit der Verfilmung der Buchserie The Last Kingdom (Das letzte Königreich) von Bernard Cornwell. Die Serie schildert die (fiktiven) Abenteuer von Uhtred of Bebbanburg, der als Angelsachse aufwächst und später von den Wikingern gekidnappt wird.
Als Erwachsener findet er sich regelmäßig zwischen den Stühlen wieder und hadert mit seiner Loyalität. Als roter Faden der Serie dient der Aufstieg von Alfred dem Großen, der 871 kurz nach dem Einfall der Great Heathen Army zum König von Wessex gekrönt wurde. Seit seines Lebens musste sich Alfred mit seinen Wikinger-Nachbarn herumschlagen, doch erst seinem Sohn Edmund gelang es, die Nordmänner wieder zu vertreiben und das Danelag-Königreich aufzulösen.
Zusammengenommen sind Vikings und The Last Kingdom die wohl beste und bequemste Möglichkeit, sich ausführlich über die Wikingerzeit in England zu informieren.