Die englische Liebe zum Tee ist sprichwörtlich. Darüber können auch die unzähligen Coffee Shops der Großstädte nicht hinwegtäuschen. Der berühmte Afternoon Tea geht dabei jedoch weit über eine Tasse Tee hinaus und ist eher eine vollständige Mahlzeit.
Die Engländer und der Tee
Statistiken zufolge liegt das Vereinigte Königreich beim Teekonsum auf dem dritten Platz weltweit hinter Irland und der Türkei. Ein Cuppa, wie die Tasse Tee liebevoll in Abkürzung von „a cup of tea“ genannt wird, ist ein Alltagsgetränk, das von morgens früh bis spätabends in rauen Mengen konsumiert wird – übrigens meist mit Milch, was den Touristen vom Festland schon mal überrascht und irritiert. Die Streitfrage, ob die Milch erst in den fertigen Tee gegeben wird oder vorab in die Tasse geschüttet wird, kann englische Gemüter ordentlich erhitzen.
Der erste Tee kam übrigens mit einer Portugiesin nach England: Die Infantin Katharina von Braganza, ungekrönte Königin von King Charles II. ließ sich den Tee zunächst aus der Heimat liefern, wohin er mit den ersten portugiesischen Entdeckern wie Vasco da Gama gekommen war. Katharina machte ihrem Gatten das neue Getränk schmackhaft und schon bald war es beim Hochadel angesagt. Den großen Durchbruch verdankte Tee vermutlich der Tatsache, dass Damen keinen Zutritt zu den Kaffeehäusern der Städte hatten, während Tee im Freien in sogenannten Tea Gardens von beiden Geschlechtern genossen wurde. Schon bald wuchs sich die Tea Time in England zu Tanzveranstaltungen aus, bei denen heftig geflirtet wurde.
Ab dem 18. Jahrhundert importierte die East India Company Tee in rauen Mengen aus der eigenen Kolonie Britisch-Indien und Tee wurde zum Nationalgetränk.
Tea Time in England: Nicht nur um Fünf
Der sogenannte Afternoon Tea oder Five O’Clock Tea entstand zu Queen Victorias Zeiten, als das Abendessen noch sehr spät eingenommen wurden und die Damen der Gesellschaft etwas für zwischendurch brauchten. Er ist das britische Äquivalent zum deutschen Kaffeekränzchen um vier Uhr. Allerdings ist der Afternoon Tea nicht die einzige Tea Time in England.
Es geht schon morgens zum Frühstück los, auch wenn die meisten Engländer heute eher zu Kaffee zum Wachwerden greifen. Anschließend folgen über den Tag verteilt etliche Tea Breaks, kleinere Arbeitspausen. In diesen wird gerne der sogenannte Builder’s Tea getrunken, eine besonders starke Tasse Tee mit ordentlich Zucker. Abends geht der Tag dann gerne mit einer Tasse mildem Tee vor dem Fernseher zu Ende.
Eine Kombination aus Afternoon Tea und Abendessen nennt sich High Tea. Dabei fallen die Beilagen noch üppiger aus (als ob der normale Afternoon Tea nicht schon füllend genug wäre). Für Verwirrung sorgt manchmal die Tatsache, dass „tea“ auch eine umgangssprachliche Bezeichnung für das Abendessen ist. Wenn der Engländer sagt „we’re eating tea“, dann stochert er nicht mit der Gabel in der Teetasse, sondern isst sein Abendessen (zu dem dann wiederum Tee getrunken wird).
Wurde früher fast ausschließlich schwarzer Tee zur Tea Time in England getrunken, gehen die Verkäufe dieser Teesorte zuletzt zurück. Stattdessen werden mehr (scheinbar gesunde) Kräutertees konsumiert.
Tea Time in England selbst erleben
Tee lässt sich natürlich in jedem x-beliebigen Café und auch in den großen Kaffeehaus-Ketten wie Costa und Starbucks bestellen. Ein großer Afternoon Tea ist dagegen eine echte Mahlzeit und ein tolles Erlebnis, dass sich jeder einmal gönnen sollte – vor allem in einem der großen Luxushotels von London. Dabei geht nichts über den legendären Palm Court im Ritz Hotel von London, wo der Spaß allerdings auch seinen Preis hat (ab £67 für Erwachsene).
Daneben bieten unzählige andere Hotels und Cafés eine Variante des Afternoon Teas an. Neben dem Ritz hat mir persönlich der Afternoon Tea im Café Royal am Piccadilly Circus besonders gut gefallen. Die prachtvolle verspiegelte Oscar Wilde Lounge wurde nach dem großen irischen Schriftsteller benannt, der hier gerne verweilte.
Zu jeder gehobenen Tea Time in England gehört eine Etagere mit süßen und herzhaften Snacks. Eine Etage gehört kleinen dreieckigen oder rechteckigen Sandwiches (ohne Kruste!), die mit Schicken, Lachs, Käse und ähnlichem belegt sind und eine Etage leckeren kleinen Kuchenstücken wie Victoria Sponge und Battenberg Cake. Die oberste Etage wird mit Pralinen bestückt. Nochmal extra kommen die berühmten Scones hinzu, luftig-leichte Gebäckstücke frisch aus dem Ofen, die traditionell mit Clotted Cream (einer festen Sahne) und Erdbeermarmelade serviert werden. Auch hier können sich die Engländer wieder bestens darüber streiten, ob die Cream oder die Marmelade zuerst kommt.
Eine abgespeckte Version des Afternoon Teas nennt sich dann auch Cream Tea. Dabei gibt es neben dem Tee nur Scones mit Clotted Cream und Marmelade. Diese Variante stammt ursprünglich aus den südwestlichen Grafschaften Devon und Cornwall, wo auch die Clotted Cream hergestellt wird.
Tea Time für Zuhause
Wer die Tea Time in England genossen hat, wird den Tee möglicherweise mit nach Hause nehmen wollen. Ketten wie Whittard of Chelsea spielen ganz bewusst darauf an, indem sie für Touristen hochwertige Tees zu gesalzenen Preisen aber wunderschön verpackt anbieten. Die bezaubernden Dosen der losen Teemischungen sehen im Regal toll aus und dazu gibt es auch tolle Teekannen, Tassen und vieles mehr.
Es geht natürlich auch viel billiger, denn jeder Supermarkt in England hält raue Mengen von Tee bereit. Angeblich werden jedes Jahr über neun Milliarden (!) Teebeutel der Marke PG Tips auf der Insel konsumiert. Kaum weniger beliebt sind die Marken Tetley, Twinings und Typhoo.
Fast schon Kult ist Yorkshire Tea von Bettys & Taylors Group, einem der letzten verbliebenen Familienunternehmen in England aus Harrogate. Die Firma wurde bereits 1886 von den Taylor Brüdern gegründet, auch wenn die Marke Yorkshire Tea erst 1977 entstand. Nicht zuletzt dank einer intensiven Werbekampagne mit aus Yorkshire stammenden Stars und dem Sponsoring von Sportveranstaltungen entwickelte sich Yorkshire Tea seit 2017 zur meistgetrunkenen Teesorte von England.
Was trinkt der Engländer zur Tea Time in England?
Ein letzter Punkt: Zur Tea Time in England wird eigentlich immer schwarzer Tee getrunken. Dieser hat in England gar keine zusätzlichen Namen, sondern heißt einfach Black Tea. Der etwas kräftigere Tee am Morgen (English Breakfast Tea) stammt meist aus der indischen Provinz Assam, der mildere Tee für den Afternoon Tea aus der indischen Provinz Darjeeling und aus Sri Lanka (Ceylon Tea).
Daneben gibt es noch etliche weitere Sorten aus Indien, China und anderen Ländern, sowie grünen und weißen Tee. Eine Besonderheit ist Earl Grey mit einem Spritzer Bergamotte, von dem es wiederum Abwandlungen wie Lady Grey (mit Zitrone) und London Fog (mit Vanillesirup) gibt. Vom Militär stammt das Gunfire genannte Getränk, das unserem Grog gleicht: Tea mit einem Schuss Rum. Neuere Trends sind der aus Indien stammende extrem aromatische Chai und der aus Japan stammende Matcha, die aber kaum noch etwas mit der traditionellen Tea Time in England gemeinsam haben.