Portsmouth Historic Dockyard und die HMS Victory

Bis heute bildet sich England sehr viel auf seine maritime Vergangenheit ein und die Zeit, als Britannia die Weltmeere beherrschte. Als Zeitalter der Segelschiffe (Age of Sail) wird die Epoche vom 16. bis 19. Jahrhundert bezeichnet, als europäische Segelschiffe die ganze Welt erkundeten, kolonialisierten und sich unzählige Auseinandersetzungen lieferten. Wer die Epoche hautnah erleben will, nimmt den Zug nach Portsmouth und besucht die HMS Victory, das Flaggschiff von Admiral Horatio Nelson.

Portsmouth und die Navy Docks

Her Majesty’s Naval Base (HMNB) Portsmouth ist einer der drei großen Marinestützpunkte der Royal Navy, der auf eine lange Vergangenheit zurückblickt. Schon Richard I. (Löwenherz) ließ 1194 hier die ersten Docks für die Überfahrten nach Frankreich anlegen. Unter Henry VII. entstand im späten 15. Jahrhundert die erste Werft, in der unter anderem 1509 die Mary Rose erbaut wurde, die 1545 prompt versank und heute im Museum zu sehen ist. Im 18. Jahrhundert wurden die Docks stark erweitert, um mit dem Age of Sail Schritt zu halten. Viele dieser Gebäude sind heute Teil des Portsmouth Historic Dockyard, das als Museumsbereich für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Tipp: Einen guten (aber auch teuren) Ausblick über das weitläufige Hafengelände von Portsmouth bietet der neue Spinnaker Tower neben dem Bahnhof mit einer Aussichtsplattform in 100 Metern Höhe. Der Eintritt kostet £13 für Erwachsene und £9.85 für Kinder.

Portsmouth Historic Dockyard

Die historischen Docks vermitteln einen kleinen Eindruck vom maritimen Leben vergangener Zeiten. Vielfältige Hintergrundinformationen liefert das National Museum of the Royal Navy, das in Lagerhäusern aus dem 18. Jahrhundert eingerichtet wurde. Zu den größten Schätzen gehört ein echtes (mehrfach von Kanonenkugeln zerlöchertes)  Segel der HMS Victory aus der Schlacht von Trafalgar. Zwei Galerien erzählen die Geschichte der HMS Victory und die von Admiral Horatio Nelson.

Spannender sind jedoch die Schiffe, die besucht werden können, darunter die HMS Warrior, das erste Kriegsschiff mit Metallrumpf aus dem Jahr 1860 (oben im Foto zu sehen). Die Reste der Mary Rose, die 1545 vor Portsmouth im Solent versank und 1982 vom Meeresboden gehoben wurde, können in einer speziellen Halle angesehen werden (viel ist es jedoch nicht). Star der Dockyards ist zweifellos die HMS Victory, wobei auch hier ehrlich gesagt werden muss: Am Schiff wurde im Laufe der Zeit so viel renoviert und ersetzt, dass es sich heute quasi um eine Replika handelt.

Nelson und die Schlacht von Trafalgar

Warum ist die HMS Victory den Engländern so wichtig? Jeder London-Besucher kennt den Trafalgar Square im Herzen des West Ends mit seiner Säule, von der Admiral Nelson auf den Trubel herunterblickt. Die Schlacht von Trafalgar wurde am 21. Oktober 1805 vor Kap Trafalgar an der Südwestspitze Spaniens (bei Cadiz) zwischen Frankreich und Spanien einerseits und England andererseits ausgefochten. Zu dieser Zeit herrschte Napoleon über weite Teile Europas und hatte sich die Eroberung Englands in den Kopf gesetzt. Dazu wollte er mit seiner und der spanischen Flotte den Ärmelkanal blockieren. Die Flotte brach am 18 Oktober 1805 in Cadiz auf, stieß aber im Atlantik auf die englische Flotte von Admiral Nelson. Obwohl sie in der Minderzahl war, gelang es ihr dank Nelsons cleverer Strategie die Franzosen und Spanier zu schlagen. Napoleons Pläne für eine Blockade des Ärmelkanals (und der Eroberung Englands) waren damit vom Tisch, England hatte seinen Ruf als führende Seemacht endgültig gefestigt.

Allerdings zahlte die Navy einen hohen Preis: Admiral Nelson war durch einen Pistolenschuss tödlich verwundet worden. Sein Körper wurde in einem mit Brandy gefüllten Fass nach England transportiert, damit er ein Staatsbegräbnis in der St. Paul’s Cathedral erhalten konnte. Seine Jacke (samt Einschussloch) kann heute im Maritime Museum in Greenwich bewundert werden. Auf der HMS Victory ist die Stelle markiert, an der verstarb.

Horatio Nelson ist an sich eine sehr interessante Figur, der sich in seiner Jugend schnell hocharbeitete und mit 20 Jahren sein erstes Schiff kommandierte. Er war in der Karibik und in Indien stationiert, kämpfte im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und anschließend in den napoleonischen Kriegen in Spanien, Ägypten und Kopenhagen. Er war nicht nur ein großer Stratege, sondern auch jemand, der (damals eine Seltenheit) zivil mit seinen Untergebenen umging und von ihnen entsprechend respektiert und geschätzt wurde.

Obwohl der Mann von sehr kleiner schmächtiger Statur war, war er dennoch sehr populär bei den Damen. Berühmt ist seine Affäre mit Emma Hamilton, die als halbseidene Tänzerin in London anfing, Geliebte mehrere reicher wohlhabender Männer war und schließlich Sir William Hamilton heiratete, den britischen Botschafter in Neapel. In dieser lernte sie (den verheirateten) Nelson kennen, mit dem sie eine jahrelange Affäre und eine Tochter namens Horatia hatte.

Die HMS Victory

Die HMS Victory wurde als First Rate Ship of the Line 1765 in den Dienst der Royal Navy gestellt. Rund 6000 Bäume mussten für sie ihr Leben lassen. Anschließend war sie an zahlreichen Schlachten beteiligt, ehe sie als Nelsons Flaggschiff in Trafalgar diente. Nach der Rückkehr (mit seiner Leiche) nach Portsmouth tat sie noch einige Jahre weiter Dienst, ehe sie 1831 in ihre Einzelteile zerlegt werden sollte, um das Holz anderweitig zu gebrauchen. Dies führte zu einem derartigen Aufschrei, dass die Navy den Plan fallen ließ. Der HMS Victory brachte dies jedoch nichts, denn sie rottete in den folgenden Jahrzehnten einfach nur vor sich hin.

1921 war sie so weit verrottet, dass eine Kampagne „Save the Victory“ ins Leben gerufen wurde. Zu dieser Zeit kam auch die Idee auf, sie in London auf dem Trafalgar Square zu parken, die glücklicherweise wieder fallen gelassen wurde. Erst zum 200. Jubiläum der Schlacht von Trafalgar 2005 war die Victory wieder komplett restauriert und für Besucher zugänglich.

Bei einer etwa 50-minütigen Tour erfahren die Besucher sehr viele interessante Dinge über den Schiffsbau, die Geschichte des Schiffes und natürlich die Schlacht von Trafalgar. Besonders faszinierend sind jedoch die Lebensumstände der einfachen Seeleute, die damals unter Deck schliefen, lebten und kämpfen – in schier unvorstellbarer Enge und unter unvorstellbaren Bedingungen. Und auch wenn kaum noch etwas am Schiff echt ist, so ist der Besuch noch immer ein unvergleichliches Erlebnis für alle, die sich für maritime Geschichte interessieren.

HMS Victory