Der Nordosten von England um Newcastle und Durham ist eine touristisch stark unterschätzte Gegend. Neben den größeren Städten der Region lohnt sich vor allem das mehrfach preisgekrönte Beamish Museum, ein weitläufiges Open Air Museum, das die Vergangenheit auf faszinierende Weise zum Leben erweckt.
Die Geschichte des Beamish Museum
Als Vater des Museums gilt Frank Atkinson, der in den 50er Jahren das Bowes Museum in Barnard Castle leitete. Bei einer Reise durch Skandinavien war er von den dortigen Freilichtmuseen so beeindruckt, dass er ein ähnliches Museum für Nordost-England gründen wollte. Ihm war klar, dass das industrielle Zeitalter der Region mit Bergbau und Stahlwerken allmählich zu Ende ging und irgendwie für die Nachwelt konserviert werden sollte.
Nach einem Aufruf an die Bevölkerung sammelten sich innerhalb kürzester Zeit tausende Gebrauchsgegenstände an, aus denen 1971 eine Ausstellung in Beamish Hall kuratiert wurde. Das Landgut aus dem 18. Jahrhundert war 1949 an das National Coal Board verkauft wurden, das es später an die Stadt Durham verkaufte. Auf dem weitläufigen Gelände entstand zur gleichen Zeit das Freilichtmuseum, das ein Jahr später eröffnete. Dazu wurden ganze Gebäude aus anderen Regionen transportiert, darunter der kleine Bahnhof, eine Straßenbahn und die Ausstattung einer alten Bergbaumine.
1987 wurde Beamish Museum zum European Museum of the Year gekürt und wuchs immer weiter. Die Expansion ist noch lange nicht abgeschlossen – so ist derzeit ein neuer Bereich mit Gebäuden aus den 1950er Jahren geplant, darunter einem historischen Kino, einem Spielplatz, einer Welfare Hall und der Spain’s Field Farm, die komplett von Weardale ins Museum verlegt wird. Auch der georgianische Bereich soll erweitert werden und ein Inn mit Gästezimmern erhalten, die erstmals eine Übernachtung direkt im Museum erlauben.
Die beiden Orte im Beamish Museum
Das Beamish Museum ist in mehrere Bereiche aus unterschiedlichen Epochen unterteilt. Hinter dem Eingang wartet eine Bergarbeitersiedlung (Pit Village) aus der Zeit um 1900 mit authentischen Häusern aus dem Bergbaustädtchen Hetton-le-Hole, in die neugierige Besucher einen Blick werfen können. Weitere Objekte hier sind der Raum einer Dorfschule, eine Kapelle und der Stall der Grubenponys. Während die heutigen Ponys nur Touristen über sich ergehen lassen müssen, zogen einst rund 22.000 Ponys die Kohlekarren in den Minen ohne je Tageslicht zu sehen.
Am anderen Ende des Museums befindet sich die bezaubernde kleine „Stadt“ aus der gleichen Zeit um die Jahrhundertwende. Hier gibt es unter anderem historische Autos und Fahrräder zu sehen, einen traditionellen Pub und eine alte Zahnarztpraxis, die wahrlich nichts für schwache Nerven ist. Natürlich gibt es hier auch etliche Souvenirshops mit historischem Kleinkram und die Möglichkeit auf alt getrimmte Fotos in Kostümen zu machen. Die Tea Rooms sind der ideale Ort für eine Pause mit einem klassischen englischen Afternoon Tea.
Weitere Highlights auf dem Gelände
Der Nordosten Englands ist für die Insel was das Ruhrgebiet für Deutschland ist – oder besser gesagt war. Beide Regionen erlebten ihre größte Blütezeit um 1900, ehe sie nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Strukturwandel und wirtschaftlichem Niedergang zu kämpfen hatten. Wo heute das Museum steht, befand sich einst eine der größten Zechen der Region Durham, die mit einem kleinen Nachbau, der 1900s Colliery, gewürdigt wird. Geführte Touren in die historische Mahogany Drift Mine ermöglichen einen Einblick in das harte Leben und die Arbeitsbedingungen Unter Tage.
Noch weiter in die Vergangenheit geht es in Pockerley, einem Dörfchen aus der späten georgianischen Zeit um 1820. Hier wird das beschauliche Landleben aus unzähligen Kostümfilmen zum Leben erweckt, erinnert jedoch auch daran, dass es nicht immer so beschaulich war. So wurde die Cottage von Joe the Quilter rekonstruiert, einem 76-jährigen Witwer, der 1826 Opfer eines brutalen Mordes wurde. Der Täter konnte nie gefasst werden, doch die Reste seines Häuschens wurden ins Museum gebracht. Hier lässt sich heute sehen, wie Handwerker einst von Hause arbeiteten.
Eine weitere Station ist die 1940s Farm, die das Leben zur Zeit des Zweiten Weltkriegs lebendig werden lässt. In den Cottages lebten Evakuierte aus der Großstadt und die sogenannten Land Girls, Großstadtpflänzchen der Women’s Land Army, die aufs Land geschickt wurden, um dort auf Bauernhöfen auszuhelfen, während die Männer im Krieg waren. Dazu können Besucher sehen, wie die Leute damals das beste aus stark rationierten Lebensmitteln machen mussten und können in der British Kitchen Mahlzeiten bestellen, bei denen klar wird, woher die englische Küche ihren legendäre schlechten Ruf hatte.
Wer eine längere Pause im Sitzen benötigt, kann mit dem Dampfzug eine Runde drehen. Der Bahnhof Rowley Station wurde 1867 im Ort Rowley errichtet und 1976 komplett ins Museum gebracht. Dazu verkehren eine historische Straßenbahn und historische Busse zwischen den einzelnen Bereichen des Museums. Weitere Fahrzeuge sind im Northern General Transport Bus Depot ausgestellt.
Der Besuch im Beamish Museum
Es lohnt sich unbedingt, einen ganzen Tag für den Besuch des Beamish Museum einzuplanen, denn es gibt unendlich viel zu entdecken. Dazu tummeln sich in allen Bereichen passend zur jeweiligen Epoche kostümierte Mitarbeiter, die Geschichten erzählen und Fragen beantworten. Neben den Restaurants, Pubs und Cafes gibt es auch Möglichkeiten, mitgebrachte Speisen in Picknick-Form zu verzehren, allerdings verpasst man dann doch so einige Kuriositäten wie die traditionell herstellten Fish and Chips im Bergarbeiterdorf und die rationierten Kriegsmahlzeiten.
Wie so häufig bei ländlichen Zielen ist die einfachste Form der Anreise die mit dem Auto. Das Museum besitzt einen großen Parkplatz.
Wer in Newcastle übernachtet, der kann die Buslinie 28 vom Stadtzentrum direkt zum Museum nehmen, allerdings fahren die Busse nur einmal pro Stunde.
Eine andere Option ist die Bahn: Die Züge von TransPennine Express zwischen Newcastle und Durham hält im Städtchen Chester-le-Street. Von dort verkehren lokale Linienbusse in etwa 15-20 Minuten zum Museumseingang.
Weitere Informationen zum Beamish Museum mit Lageplan und Hinweisen zu aktuellen Veranstaltungen gibt es auf der Website.
1 Gedanke zu „Das Beamish Museum: Eine Zeitreise durch Nord-Ost-England“
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