Alle vier Jahre darf sich eine britische Stadt als City of Culture feiern und einiges an Fördergeldern einstreichen. Zuletzt hatte Coventry im Jahr 2021 die Ehre und nutzte die Gelegenheit, ihre besten Museen und das Zentrum herauszuputzen.
Coventry in den Midlands hat im eigenen Land keinen besonders guten Ruf. Einen Teil der Schuld trägt die deutsche Luftwaffe, die die Innenstadt im Zweiten Weltkrieg mehrmals angriff und vor allem im Coventry Blitz vom 14. bis 15. November 1940 stark zerstörte. Anschließend wurde sie wie so häufig mit ganz viel hässlichem Beton wieder aufgebaut, ehe sie zum Ende des 20. Jahrhundert mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte. Ähnlich wie Birmingham nebenan beginnt sich Coventry allmählich zu erholen und hat mit dem Titel der City of Culture dringend notwendige Investitionen erhalten. Einen Tagesausflug ist die Stadt nun durchaus wert.
Die Anfänge von Coventry
Die frühe Geschichte von Conventry ist eine typisch englische Geschichte. Zuerst waren die Kelten da, dann folgten die Römer und schließlich die Angelsachsen. Zu diesem Zeitpunkt waren große Teile der heutigen Grafschaft Warwickshire von riesigen Waldflächen bedeckt, dem Forest of Arden, von dem heute nur noch Reste zu finden sind.
In diesem Wald gründete St. Osburga um das Jahr 700 ein Nonnenkloster mit angrenzender Siedlung. Der Name Coventry geht vermutlich auf „Coffa’s Tree“ zurück, doch wer Coffa war und was es mit seinem Baum auf sich hatte, wurde nie geklärt. Das Nonnenkloster wurde 1016 von den Wikingern unter Cnut (Canute) zerstört und 1043 als Benediktinerabtei von Earl Leofric of Mercia und seiner Frau Godiva wieder aufgebaut.
Coventry und die Legende von Godiva
Godiva ist heute nicht nur als Taufpatin teurer Pralinen ein Begriff, sondern vor allem für eine bezaubernde Legende bekannt. Die Bevölkerung von Coventry ächzte unter viel zu hohen Steuern, wonach sich Godiva bei ihrem Gatten Leofric für eine Steuersenkung stark machte. Dieser weigerte sich mehrfach und erklärte schließlich, er würde nachgeben, wenn sie nackt auf einem Pferd durch die Straßen der Stadt reiten würde… was sie dann auch tat.
Ob der Ritt je stattgefunden hat, konnte nie belegt werden, doch noch heute lebt Coventry gut von der Sage. Eine Statue steht auf dem zentralen Platz Broadgate, an dem sich auch die Lady Godiva Clock samt Peeping Tom (der dem englischen Ausdruck für Voyeure seinen Namen gab) befindet. Die Herbert Art Gallery & Museum widmet der Dame sogar einen eigenen Ausstellungsbereich mit Gemälden.
Das moderne Coventry
Nach diesem frühen Highlight wurde es in Coventry für die nächsten Jahrhunderte eher beschaulich. Der Ort wuchs zu einer kleinen und relativ wohlhabenden Stadt mit Burg und Kirchen heran und schlug sich im Bürgerkrieg auf die Seite der Parlamentarier. König Charles II rächte sich nach seiner Inthronisierung, indem er die mittelalterliche Stadtmauer abreißen ließ.
Als das Edikt von Nantes im 17. Jahrhunderte zahllose französische Hugenotten (Protestanten) in die Flucht schlug, ließen sich viele der Seidenweber in Coventry nieder und legten den Grundstein zum erfolgreichen Textilhandel. Weitere aufblühende Industriezweige waren zunächst die Uhrmacherei und schließlich die Herstellung von Fahrrädern, Motorrädern und Autos. Zu den berühmtesten englischen Automarken, die in Coventry entstanden, gehörten Jaguar und Rover.
Coventry und der Zweite Weltkrieg
Die wirtschaftliche Stärke wurde Coventry im Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis, da die Stadt immer wieder von Hitlers Luftwaffe angegriffen wurde. Beim sogenannten Coventry Blitz am 14. und 15. November 1940 kamen 568 Menschen ums Leben und tausende Gebäude wurden zerstört, darunter die mittelalterliche St. Michael’s Cathedral. Die Zerstörung von Coventry führte dazu, dass die englische Royal Air Force ihrerseits wiederum deutsche Städte weitflächig und ohne Rücksicht auf Zivilisten bombardierte. Nicht zufällig sind Coventry und Dresden heute Partnerstädte.
Ähnlich wie die Gedächtniskirche in Berlin blieb auch die Ruine der Kathedrale von Coventry als Mahnmal stehen, während gleich nebenan eine neue moderne Kirche entstand. Als eine der ersten englischen Städte überhaupt erhielt Coventry eine Fußgängerzone, die jedoch die brutalistische Betonarchitektur der Nachkriegszeit nicht aufwiegen kann.
Die wieder erstarkte Industrie, insbesondere die Automobilindustrie lockte zahllose Immigranten aus den ehemaligen britischen Kolonien in der Karibik und Südasien in den 50er und 60er-Jahre nnach Coventry. Mit dem Niedergang der Automobilindustrie erlebte die Stadt wie so viele englische Städte schließlich eine enorme Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit.
Die Highlights von Coventry
Architektonisch hat Coventry dem Besucher heute nicht viel zu bieten. Ein Muss ist der Besuch der St. Michael’s Cathedral, deren 91 Meter hoher Turm die Bombardements überlebte. Er ist einer der „Three Spires“, die die Skyline der Stadt früher dominierten. Die anderen beiden gehören zur noch stehenden Holy Trinity Church und zur nicht mehr vorhandenen Christ Church. Rund um die St. Michael’s Cathedral sind auch noch einige bezaubernde mittelalterliche Gassen erhalten und einige Gebäude wie St. Mary’s Guildhall. In der Spon Street befindet sich der älteste Pub von Coventry, The Old Windmill aus dem Jahr 1451.
Selbst Menschen, für das Auto nur eine banale Blechkiste auf vier Rädern ist, sollten sich das Coventry Transport Museum nicht entgehen lassen. Das Museum erzählt über hundert Jahre Automobilgeschichte anhand zahlreicher Autos und Motorräder. Besonders stolz ist man hier auf die beiden schnellsten Autos aller Zeiten, die der Brite Richard Noble entwarf. Thrust2 schaffte 1983 633 Meilen pro Stunde (1018 km/h), ThrustSSC durchbrach mit 763 Meilen pro Stunde (1228 km/h) sogar die Schallmauer.
Die Herbert Art Gallery and Museum ist das wichtigste kulturelle Museum von Coventry, das mehrere Ausstellungen unter einem Dach vereint und 500 Jahre Stadtgeschichte erzählt. Ein Geheimtipp ist das kleine Coventry Watch Museum, das die Geschichte des Uhrmacherhandwerks in der Stadt würdigt und faszinierende Einblicke in die Herstellung von Taschenuhren und Armbanduhren erlaubt.
Vor allem von Mitte April bis Ende Mai ist der Coombe Country Park östlich des Zentrums ein beliebtes Ziel für Spaziergänger, wenn der Boden von Millionen wunderschöner Bluebells (Hasenglöckchen) bedeckt ist.
Ausflugsziele rund um Coventry
Coventry selbst lässt sich am besten im Rahmen eines Tagesausflugs zum Beispiel vom nahen Birmingham aus besuchen. Seit die Veranstaltungen rund um das City of Culture Jahr ausgelaufen sind, gibt es keinen wirklichen Grund sich hier länger aufzuhalten.
Wer noch etwas mehr Zeit mitbringt, der kann in den südlichen Vorort Baginton fahren und sich die Rekonstruktion eines römischen Militärlagers ansehen. Das Fort entstand vermutlich um 60 AD, als sich die Legionen mit einer weiteren streitbaren englischen Dame auseinandersetzen mussten, der legendären Königin Boudica, die den letzten großen Aufstand gegen die Römer anführte. Lunt Roman Fort befindet sich gleich neben dem kaum genutzten Coventry Airport mit dem Midland Air Museum, in dem etliche alte Flugzeuge zu sehen sind.
Ein beliebtes Ziel für Geschichtsfreunde ist die Ruine von Kenilworth Castle im gleichnamigen Ort. Hier wurde der unglückliche König Edward II 1327 von seiner Frau Isabella und ihrem Liebhaber Roger Mortimer gefangen gehalten, ehe er unter mysteriösen Umständen in Berkeley Castle verstarb. Während der Rosenkriege war Kenilworth eine wichtige Bastion der Lancasters, ehe die Burg später an Robert Dudley ging, den Favoriten von Queen Elizabeth I, die ihn hier regelmäßig besuchte. Im Bürgerkrieg wurden Teile von Kenilworth Castle zerstört und die Burg nie wieder aufgebaut, sodass die Ruine immer wieder verfiel. Der Ort Kenilworth liegt an der Bahnstrecke zwischen Coventry und Leamington Spa mit regelmäßigen Verbindungen.