Für die meisten Menschen ist das Flugzeug das bevorzugte Verkehrsmittel, um über den Kanal nach England zu gelangen. Wer ausschließlich die Hauptstadt London besuchen will und bestenfalls den ein oder anderen Tagesausflug in die Umgebung machen möchte, kann das eigene Auto dort ohnehin nicht brauchen. Eine umweltfreundliche Alternative, die häufig übersehen wird, ist der Eurostar – meine bevorzugte Methode, um über den Kanal zu kommen.
Wissenswertes zum Eurostar
Eurostar ein notorisch klammes privates Eisenbahnunternehmen, das ursprünglich von der französischen SNCF, der belgischen SNCB/NMBS und der britischen Eurostar (UK) Ltd. gegründet wurde, um die britische Insel über den neuen Kanaltunnel ans europäische Eisenbahnnetz anzuschließen.
Seit 1994 verkehren die Eurostar-Schnellzüge zwischen London und Paris bzw. Brüssel. Seit 2007 ist der neue frisch renovierte Bahnhof St. Pancras International Endhaltestelle in London. In Paris fährt der Eurostar von Gare du Nord ab, in Brüssel von Brüssel-Süd (Gare du Midi).
Aufgrund der Pass- und Sicherheitskontrollen nutzt Eurostar einen eigenen Bereich in den Bahnhöfen. In Brüssel gehen Zugreisende zunächst durch die belgische und dann die britische Passkontrolle und durchlaufen eine Sicherheitskontrolle ähnlich wie am Flughafen, aber längst nicht so penibel und übertrieben.
So ist es kein Problem Flüssigkeiten mitzunehmen und niemand muss sich die Schuhe ausziehen. Das Boarding für die Eurostar-Züge beginnt immer etwa 20 Minuten im Voraus und ich habe es bislang noch nie erlebt, dass der Eurostar nicht pünktlich abgefahren ist.
Von Deutschland mit dem Eurostar nach London
Der Eurostar ist vor allem für Einwohner im Westen Deutschlands eine interessante Alternative zum Flugzeug: Von Köln aus fahren der deutsche ICE und der französische Thalys in weniger als zwei Stunden nach Brüssel-Süd. Von dort geht es weiter nach London.
Leider sind die Abfahrtszeiten nicht wirklich aufeinander abgestimmt, sodass in Brüssel einiges an Wartezeit entsteht. Seit neuestem fährt um 12.25 Uhr in Brüssel ein ICE nach Köln, der theoretisch bestens zum Eurostar passt, der um 12.08 Uhr aus London ankommt. Theoretisch.
Das Umsteigen vom separaten Eurostar-Gleis zu den normalen Gleisen ist mit langen Wegen verbunden, sodass es ohnehin schon knapp wird. Hat der Eurostar dann auch noch leichte Verspätung, ist der ICE vermutlich schon weg. Da ich von der Deutschen Bahn noch nie Rücksicht erfahren habe, was verpasste Züge und Fahrkarten mit Zugpreisbindung betrifft, ist mir das einfach mit zu viel Stress verbunden.
Meine persönliche Lösung ist das Eurostar-Ticket mit einem Zuschlag für die Fahrt Ab Jedem Belgischen Bahnhof: Von Köln aus fahre ich eine knappe Stunde mit dem Auto zum belgischen Grenzbahnhof Welkenraedt, der über einen großen kostenlosen Parkplatz verfügt. Stündlich fahren belgische Intercitys von Welkenraedt über Lüttich und Leuven nach Brüssel-Süd. Die Fahrt dauert etwa 90 Minuten. Am Bahnhof Brüssel-Süd reicht die Zeit (in beide Richtungen) gerade einmal um eine Kleinigkeit zu essen, dann geht es weiter.
Eurostar vs. Flugzeug: Lohnt es sich?
Ich kann jetzt nur für mich selbst sprechen: Die Tür-zu-Tür-Reisezeit von meiner Wohnung in Köln bis zu meinem Lieblingshotel in London nimmt etwa sechseinhalb Stunden in Anspruch.
Dies klingt zunächst nach viel, doch letztendlich ist die Anreise mit dem Flugzeug nicht kürzer: Ich muss erst zum Flughafen Köln/Bonn fahren, dort sitzt man eine Weile darum, dann der Flug selbst und schließlich die lange Fahrt von Heathrow mit der Londoner U-Bahn ins Zentrum. Bei anderen Start- und Zielflughäfen dürfte es kaum schneller sein.
Ich habe das gute Gewissen, mit dem Zug recht umweltschonend unterwegs zu sein und finde die Zugfahrt(en) auch einfach viel entspannter. Obendrein kann ich so viel Gepäck mitnehmen, wie ich möchte. Wer weit im Voraus bucht, kann die Tickets mit dem Ab Jedem Belgischen Bahnhof-Zuschlag für etwa 100-110 Euro (Hin- und Zurück) ergattern. Das ist ein Preis, den mir die Airlines schon länger nicht mehr bieten konnten.
Ob es sich von anderen deutschen Regionen lohnt, z.B. über Paris mit dem Eurostar nach London zu fahren, kann ich leider nicht sagen, habe ich auch nie recherchiert. Informationen gibt es auf der Website von Eurostar in mehreren Sprachen, auch auf Deutsch.
Die Fahrt mit dem Eurostar
Anders als in Deutschland wird bei der Ticketbuchung automatisch auch schon der Sitzplatz im Eurostar (ohne Extragebühren!) zugewiesen. Seit 2016 ist die neue Generation Eurostar-Züge unterwegs, deren Innendesign mir weit weniger gefällt als die warmen Brauntöne der früheren Züge.
Dafür bringen die neuen Züge jetzt kostenloses und halbwegs gut funktionierendes kostenloses WLAN mit. An Bord gibt es ein Bistro für Snacks und Getränke. Die Bezahlung erfolgt in Euro oder Pfund.
Ein Tipp: Es lohnt sich immer, im Bordmagazin zu blättern. Eurostar bietet regelmäßig Zwei-für-Eins-Angebote für aktuelle Ausstellungen in London, Paris und Brüssel und nützliche Tipps für angesagte Restaurants, Hotels und Geschäfte.
Von Brüssel führt die Strecke zunächst ins nordfranzösische Lille zum Gare de l’Europe und weiter nach Calais-Fréthun, dem letzten Bahnhof auf dem Kontinent. Direkt hinter Calais geht es dann in den Kanaltunnel. Die Fahrt durch den Tunnel dauert etwa 20 Minuten. Die ersten 1-2 Mal fand ich es noch recht beklemmend, tief unter dem Wasser unterwegs zu sein, doch mittlerweile ist es für mich kein Problem mehr.
Bei Folkestone kommt der Eurostar wieder ans Tageslicht und fährt eine Weile parallel zur Autobahn. Die meisten Züge halten dann entweder noch einmal in Ashford oder Ebbsfleet International südöstlich von London, ehe der Eurostar den Medway unterquert und allmählich London selbst erreicht. Für mich ist es noch immer ein pures Vergnügen in St. Pancras mitten in der Stadt auszusteigen und die lange Fahrt vom Flughafen sparen zu können.